Im direkten Gespräch mit Pflegepersonal und Vorständen
In der ambulanten Pflege brodelt es wie in so vielen Bereichen der Pflege. Wie kann dem Nachwuchsmangel entgegengewirkt werden? Die Zahl der unbesetzten Stellen ist hoch, während die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland steigt. Wie können Pflegedienste als Arbeitgeber attraktiver werden? Wie kann die Politik helfen?
Kürzlich hatte ich mich zu diesem aktuellen Thema mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Kirchlichen Sozialstation Eberbach e. V., Edgar Sigmund, unterhalten. Schnell entschieden wir, uns des Themas anzunehmen und zu einer Veranstaltung einzuladen, bei der sich Pflegepersonal und Verantwortliche aus Vorständen und Politik austauschen sollten. Gabriele Völker, geschäftsführender Vorstand der Kirchlichen Sozialstation Eberbach e. V., Mitarbeiterin Beate Müller sowie Sabine Seifert, stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen der SPD Rhein-Neckar und ehemaliges Mitglied der Rheinland-Pfälzischen Pflegekammer, folgten der Einladung und diskutierten mit mir über die Situation in der ambulanten Pflege.
Gut 50 Gäste besuchten die Veranstaltung im kleinen Konferenzraum der Stadthalle Eberbach. Viele von ihnen sind selbst in der Pflege tätig, zum Beispiel bei der Kirchlichen Sozialstation Eberbach e. V. aber auch Pflegende aus Pflegeheimen und Krankenhäusern saßen im Publikum. An ihrer Seite auch zahlreiche Interessierte aus der Bevölkerung: „Das ist ein Thema, das uns alle beschäftigen sollte,“ so eine Besucherin, die sich darüber freute, „dass endlich auch mal über unsere Generation und unsere Zukunft gesprochen wird!“ Sie selbst habe ihre Mutter zuhause pflegen können, sagte sie im Gespräch vor der Veranstaltung, aber was einmal aus ihr würde, wisse niemand. Die Gefahr, keine Pflegedienste oder keinen Platz im Heim zu finden, weil es einfach zu wenig Personal gäbe, sei hoch und das bereite ihr Angst.
In der Runde sprach Beate Müller aus, was viele Beschäftige in der Pflege bewegt: „Nicht erst seit gestern wird über die Situation für Pflegende und Gepflegte gesprochen. Man redet seit 40 bis 50 Jahren immer wieder über die gleichen Probleme, doch geändert hat sich seither nichts!“ Aus dem Publikum wurde immer wieder bemängelt, dass die schlechte Bezahlung ein Problem sei. Einen so verantwortungsvollen Beruf sollte man entsprechend entlohnen, so der allgemeine Tenor. Eine Pflegerin rief ihre Kolleginnen und Kollegen auf, sich politisch zu engagieren und zusammenzuschließen, ob in Parteien oder Gewerkschaften, „denn so kann es nicht weitergehen!“
Gabriele Völker stimmte ihr einerseits zu, betonte jedoch auch, dass die meisten Menschen in der Pflege ihren Beruf mit viel Herzblut ausübten und nicht nur einfach mehr Geld wollten. „Es geht vielmehr darum, die Kolleginnen und Kollegen entlasten zu können, damit diese ihre wohlverdiente Freizeit auch in Anspruch nehmen können. Viel zu oft muss ich Leute aus dem Feierabend zurück in den Dienst holen. Sie alle stehen zu ihrem Beruf und springen ganz selbstverständlich ein, wenn eine Kollegin oder ein Kollege ausfällt. Niemand wisse aber, wie lange das noch so funktioniert. Viele sind überlastet und das fast ohne Aussicht auf Besserung. Wir brauchen einfach mehr Menschen in den Pflegeberufen!“
Eine Frau aus dem Publikum wandte ein: „Politiker wissen doch überhaupt nicht, wovon sie sprechen, wenn sie uns ihre Vorschriften aufs Auge drücken! Ich bin dafür, dass alle Politiker und Gesetzesgeber mal in der Pflege mit anpacken und ein Praktikum machen!“ Dazu habe ich mich sofort bereit erklärt und mein Team klärt aktuell die Termine ab (Bericht folgt!).
Beate Müller bestätigte, dass man angesichts der aktuellen Situation kaum noch Zeit für die Pflegebedürftigen habe. Zwischenmenschliches bleibt dabei allzu oft auf der Strecke.
Sabine Seifert sprach sich als Baustein der Verbesserung für den Einsatz von Fachkräften aus dem Ausland aus, diese sollten jedoch gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland einen berufsorientierten Sprachkurs angeboten bekommen. So würden sprachliche Barrieren von Anfang an reduziert. Man müsse ihnen die Arbeitsbedingungen bieten, die auch ihre Kolleginnen und Kollegen im Land bekommen.
In eine etwas andere Richtung ging Edgar Sigmund mit seiner Meinung und sprach von einem Bachelor als Voraussetzung für eine Ausbildung in der Pflege. So könne man wieder Verlässlichkeit und Genauigkeit in der Pflege garantieren, schließlich arbeite man mit Menschen und nicht mit Maschinen.
Ich nehme von der Veranstaltung tatsächlich viele verschiedene Eindrücke mit nach Stuttgart. Ich möchte mich noch tiefer mit den Themen Fachkräftegewinnung und Ausbildung beschäftigen und mich für die Verbesserung der Anerkennung der Pflegeberufe stark machen. Natürlich weiß ich sehr wohl, dass es mit einer Veranstaltung nicht getan sei. Doch die Resonanz und der Anklang in der Bevölkerung zeigen deutlich, wie wichtig es ist, darüber zu sprechen! Man muss immer nacharbeiten und recherchieren, was man daraus machen kann. Ich bleibe an dem Thema dran und setze mich in Stuttgart und im Wahlkreis für Verbesserungen ein! Neben dem Wunsch nach mehr Personal war in der abschließenden `wünsch-Dir-was-Runde` die Frage des Bürokratie-Abbaus zentral. Wir betreiben hier kein Bürokratiebashing und wissen sehr wohl, dass viele Vorschriften wichtig sind für eine gute Pflege. Aber ich will ganz genau hinschauen, ob wirklich alle Regeln, die derzeit einzuhalten sind, nötig sind oder ob hier nicht Entlastung möglich wäre. Es ist gut zu wissen, dass mir die Anwesenden hierfür ihre Unterstützung zugesagt haben und ich bin entschlossen, hier auch die bekannten dicken Bretter zu bohren. Als Wissenschaftler bin ich gewohnt, dass man Dinge häufig nicht schnell und auf Anhieb perfektionieren kann, aber durch Hartnäckigkeit kann man viel mehr erreichen als mit populistischen Forderungen.